Erster Satz:
"Der Fahrstuhl fuhr mit einem gleichmäßig surrenden Geräusch in die Tiefe."
Weh! Jetzt geht es klipp und klapp mit der Scher` die Daumen ab... - dieser Satz auf der Rückseite des Thrillers und dazu das Cover lassen auf ein eher brutales Szenario schließen. Und richtig: In München treibt ein Serienmörder sein Unwesen und lässt sich dabei vom Kinderbuch "Der Struwwelpeter" inspirieren. Perfide und hinterhältig sucht er seine Opfer aus, schleicht sich teilweise in ihr Leben ein, überwältigt sie in einem völlig überraschenden Moment und foltert sie anschließend auf grausame Art und Weise. Damit jedoch nicht genug, beginnt er immer auch ein nervenaufreibendes Spiel mit einem Angehörigen oder anderem nahestehenden Menschen der Opfer. Der Auserwählte muss innerhalb von 48 Stunden herausfinden, warum das Opfer entführt wurde - ansonsten stirbt es. Eine Aufgabe, die schier unlösbar ist und die Angehörigen in eine ausweglose und psychisch extrem belastende Situation versetzt.
Der Autor Andreas Gruber lässt es in diesem Buch an Fantasie nicht mangeln und so werden die Opfer auf völlig ungewöhnliche Arten und Weisen ermordet - auf Arten und Weisen, die einem teilweise das Blut in den Adern gefrieren lassen und die Frage aufkommen lassen, ob Menschen tatsächlich zu so etwas fähig wären?
Und auch wenn die ganzen Entführungen und Morde schon Spannung genug versprechen, liegt der Fokus dieses Buches und auch der nachfolgenden Teile der Reihe auf dem Ermittlerteam, das in "Todesfrist" zum ersten Mal aufeinander trifft. Der Autor hat hier Gut und Böse, Schwarz und Weiß geschaffen und polarisiert damit vom ersten Satz an.
Sabine Nemez ist eine 26jährige Ermittlerin vom Kriminaldauerdienst München, ein Scheidungskind, das dennoch zu beiden Elternteilen ein herzliches Verhältnis hat, ebenso zu ihrer Schwester und den drei Nichten. Eine junge Frau, die ihren Beruf liebt, sich allerdings auch schon mehrmals erfolglos beim BKA beworben hat, diesen Traum trotzdem nie aus den Augen verliert. Eine junge Frau, die clever ist, mit beiden Beinen fest im Leben steht und die man von Anfang an sympathisch findet.
Sabine kommt auf die denkbar grausamste Art und Weise mit den Taten des Serienkillers in Berührung - ihre Mutter ist eines der Opfer, angekettet aufgefunden mit einem Schlauch im Hals und ertrunken an zwei Litern Tinte in der Lunge. Natürlich wollen Sabines Vorgesetzten sie aus dem Fall heraushalten und natürlich kann sie gar nicht anders, als trotzdem so schnell wie möglich den Mörder ihrer Mutter finden zu wollen.
...und da kommt nun der Gegenpol ins Spiel: Maarten S. Sneijder, ein Profiler vom BKA Wiesbaden, wird dazu geholt, weil man mit dem Fall einfach nicht weiterkommt. Maarten weiß was er kann und benimmt sich auch dementsprechend: Arrogant, unhöflich, herrisch, aufbrausend. Ein totaler Antityp, um den man im wahren Leben einen großen Bogen machen würde. Maarten schert sich nicht um Konventionen und macht das, was er will und wann er es will. Sein Handicap sind seine Cluster-Kopfschmerzen, die während einer laufenden Ermittlung häufig auftreten und die er mit dem Rauchen von Marihuana und mit Akkupunktur, die er an sich selbst vornimmt, mehr schlecht als recht in den Griff bekommt. Sneijder ist ein Arschloch vor dem Herrn und hasst so ziemlich alles - ganz besonders seine Mitmenschen.
Sabine und Sneijder haben, wen wundert`s, einen nicht sehr guten Start miteinander, trotzdem schluckt Sabine ihren Ärger über diesen ungehobelten Typen hinunter und heftet sich an seine Fersen, denn alles was sie will ist, den Mörder ihrer Mutter zu finden. Und dieser Weg führt nunmal über Maarten S. Sneijder. Der wiederum geht zunächst mit ihr genauso um, wie mit jedem anderen Menschen auch: absolut unverschämt. Irgendwann muss allerdings auch er einsehen, dass Sabine nicht nur durch die Nähe zum Fall Insiderwissen liefern kann, sondern auch noch Ehrgeiz und Biss hat und in der Lage ist, Denkansätze weiterzuverfolgen. Er holt sie in sein Team, das dann allerdings auch nur aus ihm und ihr besteht und genau da geht dann das eigentliche Thema des Trillers für mich los: Wie die beiden bei der Ermittlung zusammenwachsen und ein Team werden, wie sie sich sogar sympathisch werden und teilweise miteinander scherzen, hat der Autor großartig herausgearbeitet.
Keine Sorge, eine romantische Verbindung zwischen den beiden wird schon von diesem ersten Teil an rigoros ausgeschlossen. Denn nicht nur, dass Maarten knapp 20 Jahre älter als Sabine ist, entgeht dem aufmerksamen Leser auch dieser eine Satz nicht, in dem er ihr erzählt, dass sein Lebensgefährte verstorben ist. Er ist also schwul. Und genau das finde ich großartig, denn wenn der Verdacht einer Liebelei im Raume stünde, wäre es doch irgendwie wieder etwas, das man schon tausend Mal gelesen hat.
So kann ich jedoch nur sagen, dass Andreas Gruber den Leser mit seinem eingängigen Schreibstil an den Seiten kleben lässt. Ein großartiges, spannendes und nervenaufreibendes Buch, dem ich 5 von 5 GLITZERSTERNEN gebe.
INFOS ZUM BUCH
TITEL: Todesfrist
AUTOR: Andreas Gruber
REIHE: Todes-Reihe Teil 1
VERLAG: Goldmann
ISBN: 978-3-442-47866-8
ERSCHIENEN im März 2013
FORMAT: Taschenbuch
SEITEN: 432
PREIS: 9,99 Euro