Zunächst einmal: NATÜRLICH sieht es in den sardischen Städtchen nicht so aus wie auf dem Bild. Nur ab und zu. Ansonsten erwartet Euch eine komplett andere Welt - in jedem Städtchen aufs Neue...
Im Frühsommer 2019 sind wir von bekannten Pfaden abgewichen und haben nicht - wie sonst jedes zweite Jahr - unsere Lieblingsinsel Korsika besucht, sondern haben uns bei den italienischen Nachbarn auf Sardinien umgesehen. Als Camper mit Hunden lieben wir selbstverständlich die Natur um uns herum, wovon Sardinien eine ganze vielschichtige Palette voll zu bieten hat. Ab und zu ist uns aber durchaus auch nach Sightseeing in den Städten, wobei wir hier wiederum die kleineren und somit ruhigeren Ortschaften bevorzugen. Auch diesbezüglich muss man auf Sardinien nicht allzu lange suchen.
Kommt also mit mir in vier völlig unterschiedliche und dennoch zauberhafte sardische Städtchen:
Was der Araber kann, konnte der Sarde schon viel früher - nämlich künstliche Orte anlegen. Naja, die Idee kam nicht von den Sarden selbst sondern eher von ein paar steinreichen Jungspunden auf einer anderen Insel: Mitte der 60er Jahre saßen der irische Brauereibesitzer Guinness und der Multimilliardär Karim Aga Khan in London zusammen und dachten sich "Hey, was die Welt dringend benötigt, ist ein Ferienort für die Superreichen. Für Leute wie uns. Bevorzugt am Meer und ohne englisches Wetter." ...und so wurde ein paar armen Hirten für `n Appel und `n Ei an der Costa Smeralda auf Sardinien einiges an Land abgekauft und der Ort Porto Cervo entstand.
Der Architekt Enzo Satta ließ sich vom Stil kleiner Fischerdörfer inspirieren, herausgekommen ist jedoch ein bildhübsches, verwinkeltes und gemütliches Örtchen. Ein Örtchen, in dem es viele 5-Sterne-Hotels gibt und in dem protzige Yachten vor Anker liegen. Ein Örtchen, in dem man sehr gut shoppen kann - bei Dior, Prada, Gucci und Co. Alle bekannten und teuren Marken sind hier mit eigenen Geschäften vertreten, denn die Idee von Guinness und Aga Khan ging damals auf und Porto Cervo wurde schnell zum Urlaubsziel der Reichen.
Zu sehen gibt es hier eine ganze Menge - auch wenn es bei unserem Besuch Anfang Juni noch sehr leer und kein Promi in Sicht ist. Porto Cervo ist jedoch sehr hübsch und lädt zum Flanieren und Eis essen (zu normalen Preisen) ein, ist sehr gepflegt und wunderbar gelegen. Das Hafenbecken hat so ziemlich das türkiseste Wasser, das ich auf ganz Sardinien finde und mitten im Ort gibt es sogar einen kleinen Sandstrand.
Tatsächlich ist es so, dass Posada sogar als einer der schönsten Orte in ganz Italien gilt. Okay, es gibt durchaus Orte, die es damit aufnehmen können oder die für den ein oder anderen noch viel viel schöner sind, aber was Posada ausmacht, ist seine Stadtansicht: Bunte Häuser drängen sich an einem Berghang zusammen und werden von einer Burgruine überschattet. Zudem besteht in diesem Ort ein gekonntes Zusammenspiel aus alt und nicht ganz so alt. Einige Häuser hier sind verfallen und stehen nicht erst seit zehn Jahren leer - trotzdem fügen sie sich ins Gesamtbild ein, als ob sie einfach dort hin gehören würden. Okay...Ihr kennt meine Vorliebe für verfallene und verlassene Gebäude...
Die Gassen in Posada sind blitzsauber, bei unserem Besuch zur Mittagszeit wie leergefegt und völlig verwinkelt. Zu manchen Häusern führen äußerst krumme und ungleichmäßige Steinstufen und ich frage mich ernsthaft, wie die das hier machen, wenn die ein Sofa oder ein Klavier oder eine Einbauküche geliefert bekommen?
Wir quälen uns - wo wir schon mal hier sind - den Burgberg hoch, um vom Turm der Ruine den Blick aufs Umland und natürlich aufs Meer zu genießen. Die Burg bzw. das, was noch davon übrig ist, ist auch als Castello della Fava, zu deutsch "Bohnenburg", bekannt, denn einst wurden die Bewohner belagert und hatten irgendwann außer Bohnen absolut nichts mehr zu essen. Diese schmissen sie auf die Belagerer, die wiederum davon ausgingen, dass man in der Burg anscheinend noch eine Menge an Vorrat hätte, wenn man jetzt sogar schon damit um sich schmiss...und gaben die Belagerung auf.
Der Eintritt zur Burg kostet 3,- Euro, geöffnet ist in den Sommermonaten bis 20.00 h. Der Zugang zum Turm-Plateau ist allerdings eher ungewöhnlich, denn man steigt die letzten Meter auf einer schmalen Eisentreppe hoch und muss dann durch eine enge Luke. Zurück setzt man sich dann auf den Rand der Luke und tastet mit den Füßen voran nach den Sprossen der Leiter. Da die Luke offen auf dem Turm-Plateau und nicht seitlich abgesperrt ist, ist oben Vorsicht geboten, damit man nicht vor lauter Aussicht bewundern hineinfällt!
In den ländlichen Gegenden ist es auf Sardinien häufig so, dass die Dörfer einen sehr ungepflegten und abgeranzten Eindruck machen. Ganz nach dem Motto "Deko ist was für Leute, die Zeit dafür haben". Baradili liegt ebenfalls im Inselinneren, jedoch kann man hier quasi von der Straße essen. Kunststück, denn mit nur 83 Einwohnern ist Baradili der kleinste Ort auf Sardinien und da weiß es dann auch sofort jeder, wenn Antonio nicht rechtzeitig die Mülltonne hinters Haus gerollt und Maria nicht vor der Tür gefegt hat.
In Baradili landen wir eher durch Zufall, denn wir suchen eine Area Sosta, einen Stelllatz für die Nacht, und werden hier fündig. Auch der Stellplatz ist blitzeblank und sehr angenehm für eine Übernachtung. Näheres darüber könnt Ihr in meinem Blogpost über unsere 12 verschiedenen Übernachtungsplätze auf Sardinien nachlesen.
Baradili ist zwar sehr klein, das Restaurant des Ortes, Sa Scolla Baradili, ist aber offensichtlich weit bekannt, denn hier herrscht abends ein reger Andrang. Zu Recht, denn ich habe bisher nirgendwo bessere Spaghetti gegessen als hier.
Bosa ist mit über 7000 Einwohnern schon etwas größer, könnte jedoch die Zwillingsschwester von Posada sein, denn auch hier: Bunte Häuser am Berghang und darüber die Burgruine des Castello Malaspina. Wir konzentrieren und bei unserem Besuch jedoch auf den Stadtkern, denn hier gibt es eine ganze Menge zu gucken. Die hohen Häuserschluchten, die die Straßen optisch noch schmaler machen, als sie sowieso schon sind, die engen und dunklen Gassen, in denen man gerade mal zu zweit nebeneinander her gehen kann und diese Detailverliebtheit haben wir so noch nicht auf Sardinien gesehen. Viele Häuser sind originell geschmückt und immer wieder findet man wuchtige Türklopfer, die ich ganz besonders mag.
Bosa lebt vom Tourismus, das merkt man hier ganz deutlich. Es gibt an jeder Ecke entweder eine Pizzeria oder eine Eisdiele und viele kleine Shops mit lokalen Produkten. Deko- und Geschenkeläden und Boutiquen laden zum Bummeln oder auch einfach nur zum Hinsetzen und Leutegucken ein. Die Hauptstraße würde hierzulande allenfalls als schmale Fußgängerzone durchgehen, hier stört es jedoch niemanden, wenn das Fahrzeug etwa zwei Zentimeter neben dem Tisch, an dem gerade Pizza und Pasta gegessen wird, vorbei fährt. So ist das nun mal in Italien: Hauptsache, die Hupe funktioniert!
Wart Ihr schon mal auf Sardinien? Welches Städtchen hat Euch dort besonders gefallen?
Offenlegung: Diesem Blogbeitrag liegt keinerlei Kooperation zugrunde! Ich habe die Reise selber geplant, durchgeführt und bezahlt. Insofern liegt hier keine Werbung vor, sondern lediglich Information für andere Reisebegeisterte.