Corona-Notizen: Über Verlustängste und neu Hinzugewonnenes


Wenn ich an die ersten Januartage in diesem Jahr zurückdenke, überkommt mich eine leichte Wehmut, denn in dieser Zeit war noch alles ganz anders, lagen zwölf verheißungsvolle Monate vor uns und wollten geplant werden. Wollten vor allem in Sachen Urlaub geplant werden.


Heute, etwa drei Monate später, ist bereits ein Kurztrip ausgefallen und eine Reise storniert. Den Grund weiß wohl mittlerweile jeder: Das Corona-Virus, das Ende Januar nur in China bekannt und damit weit weg und für uns scheinbar ungefährlich und nicht greifbar war, lähmt heute die ganze Welt. Lässt unsere Leben stillstehen und zwingt uns alle dazu, mindestens zwei Gänge herunterzuschalten. 


"Es gibt Wichtigeres im Leben als beständig dessen Geschwindigkeit zu erhöhen"


- Mahatma Gandhi - 


Die Reisebranche steht völlig still, die Industrie zumindest teilweise, Grenzen wurden dicht gemacht, Restaurants, Cafés und Geschäfte sind geschlossen. Schulen und Kitas ebenso, viele Menschen arbeiten per Home Office von zuhause aus und müssen nebenher noch die Kinder hüten oder mit ihnen Hausaufgaben machen. Manch ein Selbstständiger hat nun keinerlei Einkünfte mehr, Kündigungen werden ausgesprochen, Kurzarbeit ist vielerorts momentan an der Tagesordnung. Die Städte und Straßen sind wie leergefegt, unser tägliches Leben und Miteinander ist ein komplett anderes geworden. Hinzu kommt eine Kontaktbeschränkung und die Tatsache, dass man besser möglichst zuhause bleiben sollte, um dem Virus keine Chance zu geben, sich weiter auszubreiten.

 

Existenzängste treiben uns in diesen Tagen um, die Angst, in den Nachrichten wieder nur Negatives und immer mehr und mehr von erneut steigenden Infektionszahlen und Toten zu hören. Die Leute tätigen Hamsterkäufe, die Welt spielt verrückt. 

 

Auch ich war eine von jenen, die mehrmals täglich den Newsfeed auf ihrem Smartphone checkte und es dabei teilweise wirklich mit der Angst zu tun bekam.

 

Doch irgendwann war der Zeitpunkt erreicht, an dem ich mir selbst sagte "STOP!".

 

Denn ist es nicht so, dass gerade wir hier in Deutschland auf sehr hohem Niveau klagen? An Dingen des täglichen Bedarfs fehlt es uns trotz Corona-Krise absolut gar nicht. Unsere medizinische Versorgung ist großartig und wer nun einkommensmäßig völlig auf dem Trockenen sitzt, wird vom Sozialsystem unseres Staates sicherlich nicht allein gelassen. Wir gehören hier in diesem Land immer noch zu den Privilegierten, das sollten wir uns ab und zu mal ins Gedächtnis rufen. Und selbst wenn wir in einer 20 qm Wohnung wohnen und Sozialhilfe bekommen, sind wir immer noch privilegiert, denn viele Menschen auf dieser Welt haben kein Geld, nichts zu Essen, kein Dach über dem Kopf, können weder lesen noch schreiben. Uns stehen in diesem Land alle Türen offen, wir haben uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Weiterbildung und können werden was wir wollen. 

 


"Ein Grund dafür, dass die Leute sich vor Veränderungen fürchten, ist, weil sie sich stets auf das konzentrieren, was sie verlieren könnten, anstatt auf das, was sie dazugewinnen könnten"


- Rick Godwin - 


Wovor haben wir also Angst? Dass wir unseren Konsum herunterschrauben und auf das ein oder andere Luxusgut verzichten müssen? Versteht mich nicht falsch, ich nehme dieses Virus absolut ernst, finde es sehr bedenklich, dass es gerade für ältere Menschen extrem gefährlich sein kann und halte mich daher an sämtliche Vorschriften. Aber das mache ich gerne und mit Selbstverständlichkeit, denn zumindest ich habe in den letzten Wochen für mich persönlich viel Positives aus dieser Krise gezogen, obwohl mich seit mittlerweile drei Wochen eine fiese Erkältung plagt (Nein. Kein Corona.)

 

Ihr kennt sicherlich Harald Juhnkes berühmtes Zitat über seine eigene Definition von Glück - Keine Termine und leicht einen sitzen haben. Okay, mit Alkohol habe ich jetzt nicht unbedingt 'nen Vertrag, aber sonst hatte der gute alte Harald völlig recht. Keine Termine, keine Verpflichtungen, nicht die Zeit im Nacken sitzen zu haben ist großartig! Morgens aufzuwachen und zu wissen, dass man den Tag komplett und völlig nach Lust und Laune gestalten kann, ist phänomenal! Sowas kennt man ja eigentlich kaum noch und das ist jammerschade.

 

Da man sich momentan weitestgehend zuhause aufhält, werden nun Sachen in Angriff genommen, die schon seit Monaten, wenn nicht sogar Jahren immer wieder aufgeschoben werden. Außerdem nimmt man sich Zeit. Zeit, um gemütlich einen Kaffee zu trinken, Zeit, um den Garten frühlingsfit zu machen, Zeit, um etwas Neues auszuprobieren. 

 

Ich habe in den letzten Wochen zum Beispiel viele neue Rezepte ausprobiert und mittlerweile noch mehr Spaß am Kochen und Backen als sowieso schon. 

 

In den Corona-Richtlinien für unser Bundesland steht, dass es ausdrücklich erlaubt ist, sich an der frischen Luft zu bewegen. Auch Mediziner erklären immer wieder, dass frische Luft die Schleimhäute befeuchtet, was es wiederum dem Virus schwerer macht. Da wir zwei Hunde haben, sind wir sowieso viel draußen, gerade in der letzten Zeit fahren wir aber oft in die umliegenden Wälder, um so wenig Menschen wie möglich zu begegnen. Auf diese Weise lernen wir unsere Umgebung völlig neu kennen und entdecken wunderschöne und bisher unbekannte Ecken. Gerade jetzt, wo die Natur langsam wieder erwacht, weiß ich es umso mehr zu schätzen, dass wir in einer sehr waldreichen Gegend wohnen und tagtäglich die Möglichkeit haben, die frische Waldluft tief einzuatmen. Zudem hat der Wald - und das ist wissenschaftlich erwiesen - eine heilende und beruhigende Wirkung auf uns.

 

Das mit dem nicht-mehr-reisen-können ist also relativ. Dank Corona sind wir nun gezwungen, in der Heimat zu bleiben und können uns viel Zeit nehmen, zu entdecken, was es alles vor der Haustür gibt. Meiner Meinung nach ist das zumindest zeitweise gar keine schlechte Alternative.

 

Wer allerdings ganz sicher dieses Virus feiert, sind unser Klima und die Umwelt. Sollte es uns nicht allen erheblich zu denken geben, dass Venedigs Kanäle bereits nach so kurzer Zeit plötzlich klares Wasser haben, wo jahrzehntelang nur brackige Plörre war? Dass sogar nun wieder Fische dort zu finden sind? Dass die Chinesen mittlerweile vielerorts Sauerstoff statt Smog einatmen?

 

Wann habt Ihr das letzte Mal ein Flugzeug am Himmel oder nur Kondensstreifen gesehen? - Unsere Natur, unser Klima atmet auf und das sollte uns allen eine Lehre sein, in Zukunft achtsamer mit diesem Planeten umzugehen, denn wir haben nunmal nur diesen einen. Diese Zeiten, in denen wir uns gerade befinden, zwingen uns zur Langsamkeit, zum Runterfahren und zum Durchatmen - eine Tatsache, die ich nach langem Nachdenken über eine Welt, in der alles immer schneller, höher, weiter, größer und mehr, mehr, mehr sein muss, nicht unbedingt verkehrt finde. 

 

Wenn ich in ein paar Jahren oder Jahrzehnten an diese Zeit zurückdenke, werde ich mich sicherlich gerne daran erinnern, wie viel Zeit ich damals im Wald verbracht habe, wie ich die Natur viel bewusster wahrgenommen habe und wie entspannt ich dabei war. Denn gerade jetzt, wo man freizeitmäßig erheblich eingeschränkt ist, merkt man doch, wie wenig man eigentlich braucht, um glücklich und zufrieden zu sein. Die Corona-Krise wird vielleicht noch viel länger andauern, als uns heute bewusst ist, vielleicht werden wir auch noch einige heute unvorstellbare  Einschränkungen hinnehmen müssen. Das Wichtigste ist jedoch, dass wir aus jedem Tag für uns persönlich etwas Positives ziehen können. 

 

Bleibt gesund!

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