Kurzurlaub gefällig? - Claudia Winter entführt uns in "Das Honigmädchen" mit allen Sinnen in die Provence (Werbung)


Erster Satz:

"Es war der erste richtige Frühlingstag nach jenem Winter, den die Leute aus Loursacq l`hiver des oliviers noirs nannten - den Winter der schwarzen Olivenbäume."


Ich gehöre absolut nicht zu den Leuten, die regelmäßig Honig essen - ganz im Gegenteil, habe ich vielleicht zwei oder drei mal pro Jahr Appetit darauf. Als ich jedoch Claudias Roman gelesen habe, habe ich ständig Honigbrote gegessen und nicht nur das: Mit ihrer bildlichen und lebendigen Beschreibung eines Sommers in der Provence hat mir die Autorin zusätzlich die für meine Seele so dringend benötigten Sonnenstrahlen in dieser nasskalten und grauen Jahreszeit geschickt. Schade nur, dass ich Romane von Claudia Winter in der Regel sehr schnell durchgelesen habe....

 

Während uns die Autorin in ihren vorherigen Romanen nach Italien, nach Schottland und in die Bretagne geschickt hat, entführt sie uns nun mit allen Sinnen in ein kleines fiktives Örtchen in der Provence. In Loursacq ticken die Uhren zwischen blühenden Lavendelfeldern, Markttagen, der täglichen draußen zu verrichtenden Arbeiten und Nachbarschaftsstreitigkeiten anders. Langsamer. Und für den Leser himmlisch entspannend und erholsam. Wohl kaum jemand, der diesen Roman gelesen hat, träumt nicht anschließend davon, den nächsten Urlaub im Süden Frankreichs zu verbringen.

 

 

Zu Anfang scheint die Sonne in diesem Roman allerdings eher weniger. Genau genommen gar nicht, denn der alleinerziehenden Camilla wachsen im heimischen München ihre Sorgen und Probleme schlicht über den Kopf. Ihr Mann hat sie betrogen und lebt nun mit seiner neuen Familie auf Sylt, ihre 15jährige Tochter Marie droht aufgrund diverser Vergehen von der Schule zu fliegen, ihr Nachbar Tobias bringt sie mit seinem nächtlichen Damenbesuch lautstärketechnisch um den Schlaf und im väterlichen Delikatessenhandel schuftet sie sich den Buckel krumm und fühlt sich dennoch nie ernstgenommen.

 

Als Camilla entdeckt, dass ein langjähriger Honiglieferant aus der Provence seinen Vertragsbedingungen schon lange nicht mehr nachkommt, will sie ihm kündigen, ihr Vater schickt sie jedoch zu eben jener Honigfarm ins kleine Örtchen Loursacq, um den Dingen auf den Grund zu gehen. Und um Zeit mit Marie zu verbringen, die, meist auf sich allein gestellt, da Camilla viel zu viel arbeitet, zu einem sehr problematischen Teenager geworden ist.

 

Natürlich weigert sich Marie, auch nur eine Minute mit ihrer Mutter zu verbringen und überraschenderweise überzeugt der lautstarke Nachbar Tobias sie schließlich davon, ihre Ferien doch in der Provence zu verbringen. Und schließt sich den Damen auch direkt an, was diesen Roman dann für mich zumindest in einer Hinsicht sehr vorhersehbar machte.

 


"Barfuß auf einer Obstwiese, auf der Klatschmohn und Gänseblümchen wachsen. Dazu ein Baum, der zum Klettern wie gemacht ist, mit einer Blätterkrone, die bis in den Himmel reicht... Womöglich ist es gar nicht das, was wir brauchen. Vielleicht genügt auch einfach nur ein Moment wie dieser." - Zitat Seite 159


 

In Loursacq angekommen, wird das Dreiergespann jedoch sehr schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt: Die Honigfarm ist eine halb abgebrannte Ruine und der Besitzer ein alter Griesgram, wie er im Buche steht. Und dennoch kommt es dazu, dass Camilla beschließt zu bleiben, mit anzupacken (unter heftigem Protest von Marie natürlich) und der Frage auf den Grund zu gehen, warum kein Honig mehr nach München geliefert wird.

 

Henri, der Besitzer der Brandruine, ist zwar verstockt und unfreundlich, aber auch sehr klug. Er lebt und lernt sein ganzes Leben lang von und mit den Bienen und findet über sie einen Zugang zu Marie. Ein Zugang der Camilla verwehrt ist, die sogar unbewusst so viel Negatives ausstrahlt, dass sie sich den Bienen nicht gefahrlos nähern kann.

 

 

In diesem Sommer in der Provence wird uns Lesern deutlich, dass es manchmal gar nicht viel braucht, um glücklich zu sein. Dass wir viel öfter bewusst innehalten sollten und dass wir vom Miteinander der Bienen viel lernen können. Denn auch in Loursacq scheint nicht nur die Sonne - da gibt es alte Rivalitäten und Streitigkeiten, die schon über Generationen geführt werden und allen Beteiligten das Leben zur Hölle machen. Unausgesprochenes, Missgunst und verschmähte Liebe. Und dieses alte Familiengeheimnis, das einigen Protagonisten den Boden unter den Füssen wegzieht.

 

 

Claudia Winters Bücher zu lesen ist immer auch ein Stück weit eine Reise zu sich selbst, eine Reise, bei der man nicht umhin kommt, zu reflektieren und zu hinterfragen. Und eine Reise an die schönsten Orte dieses Planeten, eine Reise, die so lebendig und bildlich beschrieben wird, dass man sie zu fühlen, zu riechen und zu schmecken glaubt. MEIN FAZIT lautet hier: 4 VON 5 GLITZERSTERNEN.

 

Und P.S. Was das Schmecken angeht, da hat Claudia natürlich wie immer vorgesorgt und hinten ins Buch noch einige provenzalische Rezepte geschrieben.

 

 

 


INFOS ZUM BUCH

 

 

TITEL: Das Honigmädchen

AUTORIN: Claudia Winter

VERLAG: Goldmann (www.goldmann-verlag.de)

 

ISBN: 978-3-442-48574-1

ERSCHIENEN im März 2019

FORMAT: Taschenbuch

SEITEN: 448

PREIS: 9,99 Euro


Offenlegung: Das Exemplar von "Das Honigmädchen" wurde mir vom Goldmann Verlag zu Rezensionszwecken unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Dennoch gilt natürlich: MEIN BLOG - MEINE MEINUNG!


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