Diverse Hollywood-Blockbuster haben uns über die Jahre hinweg gezeigt, wie so ein richtig ordentlicher Urwald auszusehen hat: Ein undurchdringliches Dickicht mit armdicken Lianen, kreischenden Affen, pfeifenden Papageien, faustgroßen Spinnen und einer Luftfeuchtigkeit wie in der Dampfsauna. Anzusiedeln ist solch ein Urwald selbstverständlich weit weit weg und ganz sicher noch nicht mal in der Nähe unseres Kontinents.
Irrtum! Auch in Deutschland gibt es Urwälder und einer davon liegt sogar ziemlich genau in unserer Landesmitte: Der Urwald Sababurg, der im Reinhardswald zu finden ist.
Denn im Grunde genommen ist ein Urwald nichts anderes als ein Wald, in dem keinerlei Forstpflege betrieben wird, ein Wald, in dem sämtliche Pflanzen und Tiere wachsen und leben und sterben können wie sie wollen. Ein Wald, in dem davor gewarnt wird, dass durchaus die Möglichkeit besteht, dass einem ein morscher Ast auf den Kopf fällt, was man aber in Kauf nimmt, da es außerdem ein Wald ist, in dem man aus dem Staunen nicht mehr herauskommt.
Undurchdringliches Dickicht gibt es auch hier zur Genüge, bizarr aussehendes Totholz, mannshoher Farn und jahrhundertealte Bäume, unter deren seltsam geformten Ästen man sich bisweilen in Mittelerde wähnt. Wenn diese Bäume reden könnten.... was hätten sie wohl alles zu erzählen? Was hat sich wohl in den letzten bis zu 800 Jahren (oder sogar mehr) unter ihnen und um sie herum zugetragen?
Bereits seit 1907 steht der 92 ha große Urwald unter Schutz und ist somit das älteste Naturschutzgebiet Hessens. Einst von Menschenhand geschaffen wurde er zur "Hute" (Waldweide) benutzt - Relikte aus dieser Zeit sind noch heute dort zu finden. Die Hute-Eichen sind wahre Baumriesen und werden teilweise auf bis zu 1000 Jahre zurück datiert.
Der Urwald wird nicht bewirtschaftet, weshalb es hier ein großes Vorkommen von Totholz gibt, was wiederum dazu führt, dass Lebensraum für etwa 2000 verschiedene Insektenarten geschaffen wird. Von den 450 hier gezählten Käferarten sind rund ein Fünftel auf der Liste der gefährdeten Arten.
Ein wenig musste der Mensch hier jedoch dennoch eingreifen - indem er Stege über morastige Stellen gebaut hat und Zäune um allzu alte Bäume und Bestände. Trotzdem fällt dieser Eingriff in ein derartiges Naturparadies nicht weiter ins Gewicht, wenn man auf einem der Wanderwege durch den Urwald die Flora und Fauna um sich herum genießt.
Der Urwald ist ganzjährig rund um die Uhr und gratis zu erleben, jedoch selbstverständlich auf eigene Gefahr. Man sollte sich an die Regeln halten und nicht die Wege verlassen, nicht auf den Bäumen herumklettern (was leider viele Kinder machen, während die Eltern daneben stehen und das ganz toll finden), seinen Hund angeleint lassen und keinen Müll im Wald lassen. Aber eigentlich sollten diese Punkte ja auch selbstverständlich sein. Eigentlich.
Von Zeit zu Zeit werden Führungen durch den Urwald angeboten, die einem Pflanzen und Tiere näher bringen oder auch auf Märchen und Sagen ausgerichtet sind. Denn immerhin befinden wir uns hier in der Heimat der Gebrüder Grimm und auch die Sababurg, das Dornröschenschloss, ist nur einen Spaziergang entfernt. Nähere Infos dazu findet Ihr hier.
Ganz besonders schön ist es natürlich jetzt im Herbst im Urwald, wenn die Blätter sich langsam verfärben und die Gerüche intensiver werden. Also dann, ab in den Wald!
Ja, es gibt sie tatsächlich auch in Deutschland, jene von Menschen völlig unberührten Wälder, in denen der Natur freie Hand (und Wurzel) gelassen wird. Denn Urwälder muss man sich nicht mit Lianen, Affen, Papageien und tropischer Luftfeuchtigkeit vorstellen - Urwälder sind schlicht und ergreifend Wälder, in denen die Möbelindustrie und die Jägerschaft keinen Zutritt haben. Wälder, in denen Buche, Eiche und Co. wachsen, vor sich hin modern und umfallen, wie sie wollen - und das schon seit hunderten von Jahren.
Einer dieser Urwälder befindet sich ganz in meiner Nähe in Nordhessen, kurz vor der Sababurg und nahe des Städtchens Hofgeismar.
Es ist eine völlig andere Welt, die man hier betritt, eine Welt voller dunkler und dichter Bäume und dann wieder eine Welt voller heller und mit mannshohen Farnen überwucherter Flächen. Eine morastige Welt, in der uralte Bäume in den Himmel ragen und in der auf dem Boden liegendes Totholz Lebensraum für Pflanzen und Tiere bietet.
Um Mensch und Tier diese einzigartige Natur nahebringen zu können, wurde der Urwald Sababurg, der im Reinhardswald liegt, zum Natur- und Landschaftsschutzgebiet erklärt und ist mit seiner urwüchsigen Form in ganz Mitteleuropa einzigartig. Zusätzlich ist dieser Urwald Hessens ältestes Naturschutzgebiet (seit 1907). Auf 92 ha Fläche taucht man hier in eine einzigartige und teilweise bizarre Landschaft ein, in der nicht wenige Bäume schon seit über 500 Jahren stehen, teilweise sogar geschätzte 800 - 1000 Jahre. Viele dieser alten Bäume könnten übrigens ohne Probleme eine Statistenrolle in "Herr der Ringe" ergattern, das mal nur am Rande...
Einige der Bäume vermodern stehend und sind besonders bei Kindern beliebt, die diese als Klettergerüst nutzen. Sowieso sehe ich hier im Urwald immer nur strahlende Kinderaugen, denn es gibt nicht nur für Erwachsene eine Menge zu entdecken, zu befühlen, zum Klettern und zu riechen.
Vor allem der Geruch! Hier riecht es in konzentrierter Dosis nach Wald, nach Laub, nach Erde, nach Pilzen und Gräsern - und es ist wirklich schade, dass man diesen Geruch nicht in eine Dose packen und mit nach Hause nehmen kann.
Wer diesen Urwald betritt, tut das grundsätzlich auf eigene Gefahr und wird auf gleich zu Anfang darauf hingewiesen. Der Grund ist denkbar einfach, denn hier wird keinerlei Forstpflege betrieben und daher ist es nicht unwahrscheinlich, dass einem ein morscher Ast auf den Kopf fällt. Ich habe zwar noch nie gehört, dass diese Situation tatsächlich eingetreten ist, aber es soll ja Menschen geben, die das Pech geradezu magisch anziehen....
Die Pflanzen in diesem Wald werden wirklich völlig sich selbst überlassen - für die Besucher gibt es jedoch kleine Annehmlichkeiten in Form von hölzernen Stegen, da weite Teile des Areals so morastig sind, dass man dort sonst knietief durch den Schlamm waten müsste.
Hunde sind in diesem Naturschutzgebiet willkommene Gäste und wenn ich von unseren beiden Fellnasen auf andere Artgenossen schließe, dann lieben sie es, hier unterwegs zu sein. Diese einzigartigen Gerüche fordern die Hundenasen ungemein und vor allem unser kleiner Spike (oben im Bild), der vor sieben Jahren erblindete, bekommt die Nase meistens überhaupt nicht mehr vom Boden hoch. Unsere Windhündin Lima, die aus der spanischen Tötung kommt und sich das Schnüffeln und Schnuppern erst bei Spike abgeguckt hat, ist auch immer voller Begeisterung bei der Sache.....insofern dauern unsere Touren durch den Urwald in der Regel länger als "normale" Wanderungen.
Die Wanderwege in diesem wunderbaren Stück Natur sind allesamt Rundwege und bestens gekennzeichnet. Zwischen einer Länge von einem bis zu neun Kilometern kann man zudem noch nach Herzenslust variieren und zustrecken bzw. abkürzen.
Mit der App "Maps.me" findet man sich wunderbar in diesem Urwald zurecht. Hier ist jeder noch so kleine Weg eingezeichnet und wenn man die Karte dieser Gegend vorher speichert, funktioniert sie ohne Probleme offline. Zur Info: Wald ist Wald - und zwar ohne Internet-Empfang.
Die Wanderwege sind jeweils ohne Steigungen und Gefälle, jedoch ist festes Schuhwerk unbedingt nötig, da man häufig über Wurzeln läuft, die schnell zur Stolperfalle werden können, wenn man nicht aufpasst.
Der Urwald Sababurg ist mit Sicherheit zu jeder Jahreszeit sehenswert - wir lieben ihn jedoch besonders im Herbst, wenn das Laub sich langsam färbt, wenn der Geruch am intensivsten ist und wenn es zusätzlich etwas zu bestaunen gibt: Der größte Artenreichtum an Pilzen, der mir jemals untergekommen ist.