Fieber am Morgen von Péter Gárdos

*Werbung/Rezensionsexemplar  


Erster Satz:

"Es war ein verregneter Sommertag, als mein Vater mit dem Schiff nach Schweden gebracht wurde."

 


- "Sie haben Schreckliches durchgemacht. Und Sie haben es überlebt. Sie haben es überlebt, Miklós! Geben Sie jetzt nicht auf, so kurz vorm Ziel." - Zitat Seite 118


Als dieses Buch in den Verlagsvorschauen für den Herbst und Winter 2015/2016 erschien, war schlagartig die Neugier sämtlicher Büchermenschen geweckt. Denn "Fieber am Morgen" hatte kein Cover! 
Der Druck der Vorschauen wurde extra gestoppt, um diesen Roman im letzten Moment noch aufnehmen zu können - dass zu diesem Zeitpunkt noch kein Coverbild feststand, war nebensächlich. Und schön ist es geworden, das Buch! Es kommt sehr edel daher mit seinem weißen Leineneinband und der brennenden Rose als Titelbild.

"Fieber am Morgen" erzählt eine wahre Geschichte. Die Liebesgeschichte der Eltern des Autors Péter Gárdos, die unter gänzlich schwierigen Bedingungen zueinander fanden: 1945 kam Gárdos' Vater Miklós, gerade aus dem KZ Bergen-Belsen befreit und schwer lungenkrank, zur Genesung in ein schwedisches Sanatorium. Miklós, der 25 Jahre alt war, wog zu diesem Zeitpunkt nur noch 29 kg, hatte keine Zähne mehr und war in solch einer schlechten körperlichen Verfassung, dass die Ärzte ihm nur noch ein halbes Jahr zu leben gaben und ihn darüber auch nicht im Unklaren liessen. Miklós hatte jedoch keine Zeit zum Sterben - er hatte sein Leben schon anderweitig verplant.

 

Zeitgleich lag in einem anderen Sanatorium, ebenfalls in Schweden, die 18-jährige Lili, die man bei der Befreiung des Konzentrationslagers aus einem Berg Leichen gezogen hatte - kaum mehr am Leben und ohne Bewusstsein. Lili war mittlerweile auf dem Weg der Besserung und langweilte sich auf der Krankenstation. Da kam ihr der Brief des jungen Ungars Miklós, der aus ihrer Heimatstadt stammte, gerade recht, um ein bisschen Abwechslung ins Leben zu bringen.

Was Lili nicht wusste: Miklós hatte erfahren, dass genau 117 junge Frauen aus seiner Heimatstadt die Grauen des Krieges überlebt hatten und sich zu dem Zeitpunkt in Schweden befanden. Allen 117 schrieb er Briefe - in der festen Absicht, eine von ihnen zu heiraten.

Zwischen Lili und Miklós entwickelte sich ein reger Briefkontakt, bei dem der Leser immer wieder Originalpassagen der Briefe präsentiert bekommt, die Lili ihrem Sohn Péter nach Miklós Tod übergab. Natürlich verliebten sich Lili und Miklós ineinander und wollten sich so schnell wie möglich persönlich treffen....

 

- "Über mich nur so viel: Tadellos gebügelte Hosen oder eine adrette Frisur imponieren mir nicht; mich ziehen nur die inneren Werte an." - Zitat Seite 25

Was mich an diesem Buch erheblich gestört hat, ist der zu lockere Grundton. Wenn man bedenkt, dass es hier um zwei Menschen geht, die den Krieg überlebt haben und mit Sicherheit Sachen erlebt haben, die wir Leser uns noch nicht einmal vorstellen möchten, wird die Geschichte recht forsch erzählt. 
Miklós scheint ein richtiger Lebemann und Charmeur zu sein, Lili ein typischer Backfisch - himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt. Natürlich wünscht man jedem Menschen eine positive Grundeinstellung, aber in diesem Buch nehme ich sie dem Autor einfach nicht ab. Auch bei den meisten Nebenprotagonisten deutet nicht viel auf die schreckliche Vergangenheit hin: die einzige Sorge von Miklós Freund Harry scheint sein Erektionsproblem zu sein und Lilis Freundin Judit ist ein intrigantes Luder. Ein Rabbi, der eigentlich als eine Art Seelsorger fungieren sollte, lässt sich bei Gesprächen ständig durch Nichtigkeiten ablenken und stopft sich permanent mit Fisch voll.
Beim Lesen hatte ich immer wieder den Gedanken, dass es sich hierbei vielmehr um eine Liebesgeschichte zwischen zwei Internatsschülern handeln könnte, als zwischen zwei KZ-Überlebenden, denn das wirklich Erlebte wird nur kurz angesprochen, während die Langeweile und Eintönigkeit im Krankenlager stets präsent sind.

Dennoch hat mir der Grundgedanke des Romans - immer nach vorne schauen und nie aufgeben, egal wie ausweglos die Situation auch erscheinen mag - sehr gefallen. Denn in Lilis und Miklós gemeinsamer Geschichte gab es so einige Steine aus dem Weg zu räumen, was die beiden mit Bravour meisterten. 

Wie die Geschichte ausgeht weiß man ja schon im Vorfeld, denn wenn Lili und Miklós nicht geheiratet hätten, gäbe es ihren Sohn Péter nicht, der uns mit diesem Buch an der Liebe seiner Eltern teilhaben lässt. Péter erfuhr erst nach Miklós Tod die ganze Wahrheit und musste sich mit Sicherheit vieles zusammenreimen. Herausgekommen ist eine - doch, ich gebe es zu - zu Herzen gehende Geschichte einer großen Liebe, die eigentlich schon zum Scheitern verurteilt war, bevor sie überhaupt begonnen hatte. 

MEIN FAZIT lautet hier: 3,5/5 GLITZERSTERNEN

 

 

 


INFOS ZUM BUCH

 

TITEL: Fieber am Morgen

AUTOR: Péter Gárdos

VERLAG: Hoffmann & Campe (www.hoffmann-und-campe.de)

 

ISBN: 978-3-45540-557-6

ERSCHIENEN im Oktober 2015

FORMAT: Gebunden

SEITEN: 256

PREIS: 21,99 Euro

 

TITEL DER ORIGINALAUSGABE: Hajnali láz

Aus dem Ungarischen von Timea Tankó


 

 

 

Bei Fragen und/oder Anregungen kontaktiert mich gerne unter kerstinwiegard@googlemail.com!