Pradasüchtig von Lolita Pille

... denn manchmal schlummern wahre Schätze in den Tiefen der Bücherregale. 

Erster Satz:

"Ich bin eine Luxusschlampe."



2022 ist das Jahr der Bücherchallenges, denn neben 12 Monate - 12 Genre habe ich mich dazu entschieden, an der Aktion 12 für 2022 teilzunehmen, was soviel bedeutet, dass man 12 Bücher aus den lange vergessenen und unbeachteten Tiefen der Bücherregale heraussucht und im Laufe des Jahres liest.

 

Ich weiß nicht mehr, wann und wo ich Pradasüchtig gekauft habe, ich weiß nur, dass es schon sehr lange her sein muss. Offensichtlich wird dieses Buch nicht mehr neu aufgelegt, ist aber gebraucht hier und da noch zu haben. 

 

Und wer hätte das gedacht? - Gleich dieses erste Buch der 12 für 2022 Challenge hat mir direkt vor Augen geführt, welche Juwelen man da teilweise unbeachtet im Regal stehen hat!

 

 

"Und ihr, die ihr von unserem strahlenden goldenen Reichtum träumt - alles nur Fassade. Kohle, Wagen, Freunde, überall Häuser, überall offene Türen.... Und nie etwas zu tun. Außer uns das Maul zu zerreißen. In Wahrheit langweilen wir uns zu Tode, denn wir haben keine Wünsche mehr."

- Zitat Seite 18/19 -



Pradasüchtig erzählt die Geschichte eines armen, reichen und völlig verlorenen Mädchens - aus ihrer Sicht.


Hell, die eigentlich Ella heißt, wurde in die obere Pariser Gesellschaft, in der sich die Reichsten der Reichen tummeln, hineingeboren, ist gerade volljährig, hat uninteressierte Eltern und jede Menge falsche Freunde. Sie ist völlig verloren und geradezu gefangen in ihre Welt, in ihrem immer gleichen Rhythmus aus Shopping, Essen gehen, Alkohol, Drogen, wahllosem Sex, Rausch ausschlafen. Immer und immer wieder, Tag für Tag richtet Hell sich langsam zugrunde, zweifelt an ihrer Existenz, ist unglücklich....und macht doch genau so weiter.



"Die verlassenen Straßen mit den nassen Bürgersteig, ausgehen, spät ins Bett, all diese Leute, dieses Brennen in der Brust, kaputte Beine. Ich kriege kaum Luft.

Ich habe auf nichts mehr Lust, ich weiß nicht, was ich machen soll. Schlafen will ich nicht, wach bleiben will ich nicht. Hunger habe ich keinen. Ich will nicht allein sein, sehen will ich auch niemanden. Mir kommt es so vor, als hätte ich nur eine Galgenfrist. Ich bin einfach völlig zu. Die Wahrheit kommt langsam an den Tag und lässt mich leer zurück."


- Zitat Seite 39 -



Hell ist noch keine 20, aber schon völlig ausgebrannt, nur noch eine Hülle, innerlich wie tot. Sie lässt Tag für Tag die Kreditkarte glühen, kauft sich Dinge, die ihr nichts bedeuten, geht in dekadente Restaurants und bestellt das teuerste Essen, ohne es anzurühren, trifft sich mit Menschen, die so sind wie sie und ihr nicht gut tun, schläft mit Typen, die sie kaum kennt...und konsumiert vor allem zu viel Alkohol und noch mehr Drogen. Betäubt sich immer und immer wieder und immer stärker, um ihr Dasein überhaupt ertragen zu können. 


Tag für Tag macht sie sich Gedanken, viele Gedanken über ihr sinnloses Leben - und lebt trotzdem am nächsten Morgen weiter wie bisher.



"Gestern war ich aus. Ich war im Cabaret, ich war im Queen, ich habe mich mit A. bis morgens um acht zugekokst. Ich habe drei Stunden geschlafen, dann habe ich abgetrieben. Ich hatte Angst vor dem Danach, doch es war nicht schlimm. Dann habe ich mit einer depressiven Freundin etwas getrunken, und jetzt gehe ich einkaufen. Heute ist ein Tag wie jeder andere."


- Zitat Seite 44 -



Nein, man möchte nicht tauschen mit Hell, mit diesem Mädchen, das sich alles kaufen kann und doch nichts hat. Gar nichts.


Und trotzdem ist man fasziniert, vielleicht auch ein wenig schadenfroh und hämisch, wenn man ihr durch die Clubs und Restaurants von Paris folgt. Teilweise möchte man ihr den gut gemeinten Tipp geben, mal einen Gang runterzuschalten, meistens möchte man sie packen und schütteln und anschreien "Siehst du es nicht??? Das ist doch kein Leben!!!", denn ja, irgendwie mag man Hell mit der Zeit. Denn sie ist intelligent und macht sich viele Gedanken, kluge Gedanken. Und doch bremst sie sich immer wieder aus, steht sich selbst im Weg. Und natürlich kommt es, wie es kommen muss: Als Hell endlich erkennt, was wirklich zählt, ist es zu spät...


Der Schreibstil ist es jedoch, der mich bei diesem Buch umgehauen hat. Teilweise fast schon poetisch, dabei aber immer knallhart und ehrlich. Man möchte fast jeden Satz, jeden Absatz anstreichen. Schonungslos offen wird hier Hells langsames Untergehen beschrieben, ein Untergehen, dem man sich auf keiner Seite entziehen kann. 



MEIN FAZIT: Ein lange vergessenes und nun zum Glück wieder entdecktes kleines Juwel. 5 von 5 Glitzersternen!





INFOS ZUM BUCH

 

TITEL: Pradasüchtig

AUTORIN: Lolita Pille

VERLAG: Piper

 

ERSCHIENEN am 01. Januar 2004

ISBN: 978-3-49227-054-0

FORMAT: Taschenbuch

SEITEN: 191

PREIS: meistens nur noch gebraucht zu kriegen

 

TITEL DER ORIGINALAUSGABE: Hell

AUS DEM FRANZÖSISCHEN VON Gaby Wurster


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