Erster Satz:
"Wenn ich mit einem leichten Schwindelgefühl auf mein bisheriges Leben zurückblicke, würde ich sagen, dass ich vor den Ereignissen, die es auf den Kopf gestellt haben, ein unauffälliger, ja beinahe durchschnittlicher Mann war."
Zunächst einmal muss ich eins zu diesem Roman anmerken: Wir alle lieben Antoine Laurains charmanten, liebevollen und typisch französischen Geschichten, in denen immer ganz viel Herz und Liebe vorkommt. Und die von der Covergestaltung her immer ähnlich aussehen. Ähnlich schlicht und sympathisch und somit ein Blickfang im Regal. Und genau diese Tatsache sorgte zunächst für ein wenig Unruhe unter den Laurain-Lesern, denn das Cover der "Zigarette danach" sieht plötzlich so völlig anders aus. Das Buch kommt als Taschenbuch heraus - anstatt der gewohnten gebundenen Ausgabe - und hat auch ein größeres Format. Wie sieht das denn bitteschön im Regal aus? Das passt doch nicht!
Werte Leserschaft, hier kann ich Entwarnung geben, denn doch! Es passt! Wie schon oben geschrieben: Normalerweise liest man beim Autor sehr charmante (Liebes)Geschichten, "Die Zigarette danach" ist jedoch eine 180Grad-Wendung. Eigentlich hätte dieses Buch auch ein Brite schreiben können, denn es ist schwarzhumorig, bitterböse und so richtig schön zynisch. Ach ja, ein paar Morde werden auch begangen. Erst zufällig, dann ...nun ja,...aus Gründen. Übrigens: Ich mochte das Buch sehr und hoffe, noch mehr in der Art von Antoine Laurain zu lesen.
"Als wir später an dem Abend zu Bett gingen, stellte Marie fest, dass ihre Schachtel leer war. Ich hatte alle geraucht. Wenn man für etwas Begabung hat, dann zeigt sich das sofort." - Zitat Seite 72
Fabrice heißt unser Raucher also. Fabrice erzählt uns sein Leben und nimmt sich dabei selber nicht so furchtbar ernst, was ihn sehr sympathisch macht. Aufgewachsen mit einem depressiven (und natürlich rauchenden) Vater, wird er mit 17 in den Ferien zu Verwandten in die Normandie geschickt und verfällt dort (durch Zufall weil ordentlich angetüddelt) den Zigaretten. Macht ja nichts, denn wir alle wissen ja, dass die Franzosen an sich begeisterte Qualmer sind.
Fabrice glänzt nicht gerade durch hohe akademische Titel, arbeitet sich dennoch allein durch schnelle Auffassungsgabe und gesunden Menschenverstand an die Spitze des erfolgreichsten Headhunter-Unternehmens Paris. Mit einer Frau an seiner Seite, die eine gefragte Kuratorin ist (Zum Brüllen, was Fabrice von Kunst und Künstlern hält. Da steht dann anschließend auch schon mal "Zum Kotzen" im Gästebuch der Ausstellung. - Ehekrach vorprogrammiert.) und einer Teenie-Tochter, die gerade in der Ich-finde-alles-doof - Phase ist, könnte das Leben in relativ geregelten und vor allem in relativ (auch finanziell) gesicherten Bahnen ablaufen. Könnte. Denn eines Tages passiert Fabrices persönliches Armageddon...
"Der Mann, der ich fünfzehn Tage zuvor noch gewesen war, hatte eine tiefgreifende Verwandlung durchgemacht. In der Herpetologie hätte man gesagt, dass die Art mutiert und ihre natürliche Umgebung verändert worden sei. Diese Fakten führten zu einer grundlegenden Frage: Würde die Art überleben?" - Zitat Seite 102
In den Räumen seiner Firma, ja selbst in seinem Büro herrscht von einem Tag auf den anderen striktes Rauchverbot und die Nichtraucherfront achtet peinlich genau darauf, dass das neue Gesetz eingehalten wird. Plötzlich ist Rauchen kein Genuss mehr, sondern nur noch in Hast und unter ungemütlichen Umständen möglich. Ein willkommener Anlass für Fabrices Frau Sidonie, ihn zum Hypnotiseur zu schleifen, damit der Göttergatte endlich zum Nichtraucher wird.
Man mag es kaum glauben, aber die Hypnose funktioniert ab der ersten Sitzung. Fabrice raucht nicht mehr. Fabrice hat kein Verlangen mehr nach Zigaretten. Findet er selber komisch, aber gut...
Nee, nicht gut... denn mit der ersten Zigarette nach wochenlanger Abstinenz fangen die Probleme erst richtig an! Fabrice empfindet weder Vergnügen noch Befriedigung noch sonst irgendwas beim Rauchen. Nichts. Es ist, als ob er einfach nur atmen würde. Er spürt nichts mehr und das bestürzt ihn zutiefst.
Bis er eines Tages durch Zufall jemanden umbringt (die genauen Umstände erläutere ich hier nicht näher) und die Zigarette nach dem Mord genau das Gefühl in ihm wachruft, das er so lange vermisst hat. Dumm nur, dass dieses Hochgefühl gerade mal eine Zigarettenlänge anhält. Was bleibt Fabrice also anderes übrig, als weiter zu morden? Und es ist ja auch nicht so, dass er nicht den ein oder anderen geeigneten Kandidaten für dieses Vorhaben wüsste...
Ja, dieses Buch ist sehr sehr böse. Es ist zynisch und selbstironisch und von vorne bis hinten voll mit schwarzem Humor. Es ist nicht unbedingt ein Krimi, sondern vielmehr eine Gesellschaftsstudie, die uns - zugegebenermaßen ein wenig übertrieben - die "Probleme" des Überflusses, in dem wir leben, anzeigt. Es hat mich wunderbar unterhalten, denn der Autor schafft es zudem, dieses Mord-Thema mit geradezu poetischen Sätzen ein wenig auf die Schippe zu nehmen. Der Mörder wird hier zum Liebling der Leserschaft und auch die Nichtraucher unter uns (ich zum Beispiel) fiebern der nächsten Zigarette danach entgegen. Und eins ist mal sicher: Helmut und Loki hätten an diesem Buch ihre helle Freude gehabt! MEIN FAZIT lautet hier: 4 VON 5 GLITZERSTERNEN.
INFOS ZUM BUCH
TITEL: Die Zigarette danach
AUTOR: Antoine Laurain
VERLAG: Atlantik (www.atlantik-verlag.de)
ISBN: 978-3-455-65046-4
ERSCHIENEN im Januar 2019
FORMAT: Broschiert
SEITEN: 240
PREIS: 16,00 Euro
AUS DEM FRANZÖSISCHEN von Sina de Malafosse
TITEL DER ORIGINALAUSGABE: Fume et tue
Offenlegung: Diese Ausgabe von "Die Zigarette danach" wurde mir zu Rezensionszwecken vom Atlantik-Verlag kostenlos zur Verfügung gestellt. Diese Tatsache beeinflusst jedoch nicht meine Meinung über Aufmachung und/oder Inhalt, denn wie immer gilt: MEIN BLOG - MEINE MEINUNG!
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