Lost Places in und um Berlin


Berlin war nie mein bevorzugtes Reiseziel. Anfang der 90er auf Klassenfahrt fand ich das Kulturprogramm sterbenslangweilig und kann mich nicht daran erinnern, auch nur einen Stein vom Brandenburger Tor gesehen zu haben. Woran ich mich aber sehr wohl erinnern kann, ist, dass ich dort zum allerersten Mal einen H&M betreten habe. (Bei uns in der Provinz gab's sowas noch nicht.) Beim nächsten Berlin-Besuch habe ich dann ebenfalls keinen Stein vom Brandenburger Tor gesehen, was allerdings daran lag, dass es der 31. Dezember 1999 war und um mich herum Menschenmassen genau die selbe Idee hatten wie ich: In der Hauptstadt ins neue Jahrtausend hinein zu feiern. 2013 haben mein Mann und ich einen Kurztrip nach Berlin unternommen und das komplette Touristenprogramm abgespult. Im Nachhinein konnte ich sagen, dass diese Stadt mit Sicherheit sehr interessant aber keinesfalls schön ist und ich kein wirklicher Fan bin.
Im Frühling 2016 sollte ich Berlin dann auf eine ganz andere Art kennen lernen, nämlich abseits der Touristenpfade....

Lost Places, verlassene Orte und Gebäude, die nach und nach von der Natur zurückerobert werden, üben eine große Faszination auf mich aus. Hier herrscht eine ganz spezielle Atmosphäre und mit dem richtigen Licht und fotografischen Know-how kann man sagenhafte Bilder machen. Viele Bücher beschäftigen sich mittlerweile mit dem Thema "Urban Exploration" und weltweit gibt es atemberaubende Kulissen. Wenn man in Deutschland verlassene Orte sucht, ist man sowohl in Berlin als auch in Brandenburg goldrichtig:

 

 

GEISTERBAHNHOF SIEMENSSTADT, BERLIN

Der S-Bahnhof Siemensstadt liegt im Berliner Stadtteil Charlottenburg in luftiger Höhe direkt über dem Rohrdamm und grenzt an den zu Spandau gehörenden Ortsteil Siemensstadt.

Mit dem Reichsbahnerstreik im September 1980 wurde der Bahnverkehr für immer eingestellt und 17.000 der rund 90.000 Mitarbeiter, die Siemens zu der Zeit in Siemensstadt beschäftigte, mussten sich einen anderen Weg zur Arbeit suchen. Der Bahnhof wurde mit der Zeit zum Geisterbahnhof, Graffitisprayer hinterliessen ihre Spuren und die Natur erobert sich unaufhörlich und ungestört ihren Platz zurück.

 

 

BALLHAUS "RIVIERA", GRÜNAU, BERLIN

Im Zuge der schnell wachsenden Berliner Bevölkerung entstanden ab dem Ende des 19. Jahrhunderts Ausflugslokale, Ball- und Gesellschaftshäuser. Die Menschen, vor allem die Großstädter, waren nicht mehr nur auf Arbeit und Kirche programmiert, sondern suchten nach Zerstreuung. Und die bekamen sie, dort im Ballhaus an der Dahme, das sogar einen eigenen Anlegesteg hatte. International bekannte Musiker traten hier auf und das Ballhaus war in aller Munde.

Das "Riviera" überlebte zwei Weltkriege und die DDR, nicht jedoch die Wende. Nachdem es in den Besitz einer Treuhandgesellschaft überging, wurde die Bewirtschaftung aufgegeben. Seit 1991 tanzt niemand mehr über das Parkett des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes, das mittlerweile stark einsturzgefährdet ist. Die Sanierungskosten würden sich auf etwa 15 Millionen Euro belaufen, daher behaupten böse Zungen, dass die türkische Besitzerin den Einsturz abwartet, um den Denkmalschutz zu umgehen und anschließend ein Kongresshotel auf dem Anwesen bauen zu können.

 

 

EHEMALIGE ABHÖRSTATION, TEUFELSBERG, GRUNEWALD, BERLIN

Eigentlich ist der Teufelsberg nichts weiter, als ein riesiger Haufen Trümmerschutt. 25 Millionen Kubikmeter, um genauer zu sein, auf denen im Laufe der Jahre eine große Waldfläche gewachsen ist. Und ganz oben auf dem höchsten Punkt, da thronen sie, die....ähh....überdimensionalen Golfbälle? So sehen sie jedenfalls aus, die Kuppeln der Radaranlagen der ehemaligen Abhörstation der US-amerikanischen Streitkräfte, die von hier aus im Kalten Krieg operiert haben. - Bzw. das, was noch von den Kuppeln übrig ist. Nach dem Abzug des Militärs wurde die Anlage bis 1999 als Flugsicherungsradar-Station genutzt und steht seitdem leer.

Es gab viele Pläne für die Gebäude auf dem Teufelsberg: Hotels, Tagungszentren, Museen, Luxuslofts und - ganz großes Kino - eine "vedische Friedensuniversität" mit einem "Turm der Unbesiegbarkeit", deren Schirmherr, der Regisseur David Lynch sogar den symbolischen Grundstein legte. Alle Pläne scheiterten jedoch früher oder später und die Gebäude auf dem Teufelsberg verfielen und wurden Ziel von Vandalismus. Wurden daraufhin bewacht, was irgendwann jedoch zu hohe Kosten verursachte - und wurden erneut von Vandalen heimgesucht...
Heute hat sich ein Verein des Areals angenommen und ihm künstlerisches Leben eingehaucht. Für einen Eintrittsbeitrag von 7,- € (Hunde kommen umsonst rein) kann man sich auf dem kompletten Gelände frei bewegen, über die vielen und wirklich guten Graffitis in den weitläufigen Etagen der Gebäude staunen und bis in die höchste und am besten erhaltenste Kuppel steigen. Der Weg dorthin führt durch ein unbeleuchtetes und daher teilweise stockdunkles Treppenhaus, aber wenn man dann oben ist, hat man durch einige Löcher in der Kuppel einen phantastischen Ausblick über Berlin. Und wenn man nur minimal flüstert, hört man seine Stimme tausendfach zurückkommen.
Ein wirklich lohnendes Ziel, zu dem Ihr auf www.teufelsberg-berlin.de nähere Informationen findet.

 

 

JÜDISCHER FRIEDHOF, WEIßENSEE, BERLIN

Dieser Friedhof ist ein Superlativ, denn hier befinden sich auf 42 Hektar 115.000 Grabstellen und es ist der größte erhaltene jüdische Friedhof Europas, der während der Nazizeit weder geschlossen noch zerstört wurde.

Was einem als allererstes hier auffällt, ist die absolute Stille inmitten des Großstadttrubels. Und die undurchdringliche Wildnis. Denn natürlich werden die neueren Grabmäler und die größeren Wege liebevoll gepflegt, die Pfade zwischen den älteren Grabstellen sind jedoch unpassierbar, überwuchert und voller schiefer oder umgestürzter Grabsteine. Ein ganz besonderes Flair herrscht hier, wie man es nur auf sehr alten Friedhöfen findet.

 

 

EHEMALIGES BAHN-STELLWERK, PANKOW-HEINERSDORF, BERLIN

Ob hier wohl einst der berühmte und besungene Sonderzug nach Pankow gewartet wurde? - Ein riesiges Gelände mit einem verfallenen Rondell erwartet den Urban Explorer bei diesem Lost Place. - Unter dem Dach von Tauben vereinnahmt, am Boden in Hand von Graffiti-Sprayern und mit der langsamen aber stetigen Zurückeroberung durch die Natur. Ein Ort mit einer ganz besonderen Atmosphäre, an dem man sich gerne aufhält.

Hier gibt es weder verschlossene Tore noch Verbotsschilder. Obwohl vor einiger Zeit Bagger vorfuhren und alles abgeriegelt wurde. Es gab Pläne, auf Pankows größter Brache einen Möbelriesen zu etablieren - diese Pläne wurden jedoch wieder verworfen, die Bagger zogen ab, die Tore wurden geöffnet.....bis sich ein neuer Investor findet und der Kreislauf von vorne beginnt. Vermutlich.

 

 

GEISTERBAHNHOF, TIEFENSEE, BRANDENBURG

Viel kann man im Internet nicht finden über diesen verlassenen Bahnhof. Der Verkehr wurde im April 1998 eingestellt und von einem anderen Bahnhof übernommen - der kurz darauf jedoch ebenfalls dichtmachte. Es ist also nicht einfach, mit öffentlichen Verkehrsmitteln in das kleine verschlafene Kaff Tiefensee zu kommen, das ungefähr auf halbem Weg zwischen Berlin und der polnischen Grenze liegt.

...und dabei ist es von der Bausubstanz her gar nicht schlecht, dieses hübsche Backsteinhäuschen, das sogar noch ein paar Wagons im "Garten" stehen hat. Vielleicht findet sich ja irgendwann jemand, der dieser Örtlichkeit neues Leben einhaucht, und sei es auch nur durch Privatgebrauch....

 

 

VERLASSENES FREIBAD, BAD FREIENWALDE, BRANDENBURG

Bad Freienwalde verfügt nicht nur über die nördlichste Skisprungschanze Deutschlands (die eingepfercht zwischen Hochhäusern übrigens völlig fehl am Platz wirkt) sondern auch noch über diesen interessanten Lost Place: Ein altes Freibad, das wir nur durch puren Zufall gefunden haben.

Ich habe das komplette Internet auf den Kopf gestellt, aber rein gar nichts zu diesem Ort gefunden. Man kann ihn komischerweise noch nicht mal über Google Earth erkennen. Haben wir es hier also vielleicht mit einem Freibad zu tun, das es gar nicht gibt??? Ich denke, dass es mit der Wende einfach aufgegeben wurde, denn der Wald, der mittlerweile im Becken wächst und stellenweise locker 3 -4 Meter hoch ist, hat mit Sicherheit einige Zeit gebraucht, um sich durch den Beton zu arbeiten.

Falls jemand von Euch nähere Informationen zu diesem Freibad hat - gerne in einer Mail!

 

 

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