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Das erste Mal werde ich auf die Knochenkirche - oder auch Bone Church - im Internet aufmerksam. Eine Kirche, deren kompletter Schmuck aus den Skeletten zehntausender Toter gemacht ist? Hört sich gruselig und morbide an! Und vor allem faszinierend! Leider liegt diese Kirche etwa 70 Kilometer außerhalb vom tschechischen Prag in der Kleinstadt Kutná Hora und somit nicht mal eben um die Ecke.
Dass ich mir diese Kirche ansehen will, ist schonmal klar, denn meine Vorliebe für Lost Places beinhaltet selbstverständlich auch Lost Souls, auch wenn man dafür Eintritt zahlen muss und dieser Ort alles andere als "lost" ist. Also wird die Knochenkirche zunächst auf die Bucket List geschrieben, denn früher oder später verschlägt es mich bestimmt in diese Gegend.
Und tatsächlich: Ostern 2018 bekomme ich die Gelegenheit zu einem Abstecher nach Kutná Hora, einer Stadt, die nicht allzu attraktiv auf mich wirkt und die ich nach dem Besuch der Knochenkirche auch direkt wieder verlasse.
Wer darauf hofft, dass die Kirche im Nirgendwo in einem düsteren Wald liegt, der wird ziemlich enttäuscht sein, denn ganz im Gegenteil ist um die Kirche herum eine gemütliche Gegend mit Cafés, Hotels und Souvenirshops entstanden. Und mit Busparkplätzen, denn die Knochen wollen nicht nur wir, sondern auch viele viele andere Touristen sehen. Und genau wie bei sämtlichen anderen Attraktionen wird es hier ab mittags voll. Wie gut, dass wir schon vormittags vor Ort sind.
Ich mag Friedhöfe. Allerdings nur dann, wenn sie alt und verfallen sind, mit schiefen, umgekippten und moosüberwucherten Grabsteinen. Osteuropäische Friedhöfe sind mir meistens zu kitschig. Ich meine … Plastikblumen gut und schön, die muss man nicht gießen....aber ansprechend und interessant sieht für mich anders aus. Zumindest eine efeuumrankte Statue finde ich hier allerdings, bevor ich die Stufen hinab ins Beinhaus steige....
Ja ja, es heißt überall KnochenKIRCHE oder Bone CHURCH, aber Fakt ist, dass es sich hierbei "nur" um ein Beinhaus handelt, einen großen Raum, der sich unter der Allerheiligenkirche befindet. Aber was soll`s? Ich steige ein paar steile Stufen hinab, bezahle im winzigen Kassenhäuschen umgerechnet etwa drei Euro Eintritt, steige weitere steile Stufen hinab.....und befinde mich plötzlich inmitten von Millionen von Knochen.
Insgesamt lagern hier - kunstvoll aufgestapelt - die Knochen von 40.000 Toten. Zu Dekorationen und Einrichtungsgegenständen verarbeitet wurden allerdings lediglich 10.000 Skelette. Dominierend im Raum ist sicherlich der riesige Kronleuchter, der - ja, ich gebe es zu - einem dann doch den ein oder anderen Schauer über den Rücken jagen lässt. Wo sonst grinsen schließlich so viele Totenköpfe von oben herab? Wohlgemerkt, wir sprechen hier von echten Totenköpfen!
Diese Frage stellt man sich logischerweise als erstes und eine Schautafel im Beinhaus, das übrigens auch als Sedletz Ossarium bekannt ist (Sedletz ist ein Stadtteil von Kutná Hora), klärt auf: Angeblich brachte ein Abt im 13. Jahrhundert eine Handvoll heilige Erde aus Jerusalem mit, die hier auf dem Friedhof verteilt wurde. Das sprach sich herum und fortan war der Friedhof DER place to be für die Toten. Allerdings war der Platz knapp bemessen und irgendwann wusste man die Verstorbenen, die sich sogar aus Polen, Bayern und den Niederlanden vor ihrem Tod angemeldet hatten, nicht mehr unterzubringen. Dann kamen die Pestepidemie im 14. und die Hussitenkriege im 15. Jahrhundert und man wusste trotz ständiger Erweiterung des Friedhofs nun keine andere Lösung mehr, als Massengräber anzulegen. Im 15. Jahrhundert begann man mit dem Bau der Allerheiligenkirche und musste zu diesem Zweck viele Tote aus ihren Gräbern exhumieren, deren Knochen man im Beinhaus unter der Kirche einlagerte. Auch nach der Fertigstellung des Kirchenbaus wurde der Friedhof weiterhin verkleinert und die Gebeine von 40.000 Toten von einem halbblinden Zisterziensermönch unter der Kirche gestapelt.
1870 beauftragte die Fürstenfamilie Schwarzenberg, die im Besitz der Kirche war, den Holzschnitzer Frantisek Rint mit der Innendekoration des Beinhauses und wünschte dabei ausdrücklich Knochen als Baumaterial. Und nicht etwa Holz. Gut, Knochen waren ja nun mal zur Genüge vorhanden, daher konnte Herr Rint sich austoben. Herausgekommen sind dabei einige recht gespenstisch-morbide Gegenstände, wie zum Beispiel der oben schon erwähnte achtarmige Kronleuchter, der nahezu sämtliche Knochen des menschlichen Körpers enthält. Auf der linken Raumseite wurde das Wappen der Familie Schwarzenberg aus Knochen gebildet, beim Treppenaufgang befinden sich zwei fast menschengroße Abendmahlskelche und überall sind Gebeine in Mustern angeordnet. Die meisten der Knochen sind jedoch hinter Gittern kunstvoll angehäuft.
Wenn man bei den Totenköpfen genau hinschaut, kann man einige erkennen, die offensichtlich zu Lebzeiten in den Hussitenkriegen gekämpft haben. Löcher und Risse im Schädelknochen kommen da häufig vor und man mag sich gar nicht vorstellen, unter welchen Qualen diese Menschen gestorben sind.
Auch wenn ich mit Glauben und Religion absolut nichts am Hut habe, komme ich zwischen diesen Knochen doch ins Grübeln. Über mein eigenes Leben und darüber, wie kurz es sein kann....und darüber, ob diese Zurschaustellung der Toten überhaupt sinnvoll ist?
… heißt hier das Stichwort. Man soll die Ruhe der Toten nicht stören, was ich richtig und wichtig finde. Aber macht man nicht genau das hier? Ich bin da ehrlich etwas zwiegespalten, denn einerseits finde ich, dass die Knochenkirche absolut sehenswert ist, anderseits finde ich es nicht richtig, mit dem Ausstellen und Umarbeiten der Toten Geld zu verdienen. Ein zweischneidiges Schwert, welches mich bestimmt weniger kritisch stimmen würde, wenn die Gelder aus den Einnahmen für einen guten Zweck gespendet würden. Aber die werden wohl für die Instandhaltung der Gebäude und des Friedhofs gebraucht.....